26.03.2015

Germanwings-Absturz: Darf man den Co-Piloten-Namen nennen?

Der Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525 - die dramatische Wendung des heutigen Tages: die französische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Co-Pilot absichtlich den Jet zerstörte. Es überrascht nicht, dass innerhalb von Minuten an vielen Stellen im Netz, besonders bei Twitter, Name und Anschrift des Co-Piloten herumgeisterten. In den USA, wo ganz andere Vorstellung von der Reichweite "freedom of speach" herrschen, haben selbst anerkannte Medien schon zuvor die Pilotennamen vollständig genannt. Doch darf man das nach deutschem Recht? In den sozialen Netzwerken wird darüber schon gestritten. Der tragische Fall hat also auch eine medienrechtliche Komponente.

Es kann durchaus sein, dass ein Gericht die Nennung des vollständigen Namens für Medien nicht für tabu halten würde. Was moralisch gilt, ist eine ganz andere Frage.

Welche Erwägungen sind wichtig? Zunächst: Der Co-Pilot selber ist tot. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht endet grundsätzlich mit dem Tod. Seine Angehörigen können nur noch - wie es juristisch heißt - grobe Verzerrungen seines Lebensbildes juristisch verfolgen. Darum geht es hier nach Lage der Dinge nicht. Der Kernkonflikt spielt sich vielmehr bei den Rechten der Eltern und anderer Angehöriger im Verhältnis zur Meinungs- und Pressefreiheit ab. Den Eltern steht grundsätzlich Anonymitätsschutz zu. Durch die Nennung des Namens und des Wohnortes dürften sie aber für eine Vielzahl von Personen erkennbar sein. Sie sind schuldlos an der Katastrophe und müssen nun neben dem Verlust des Kindes mit den neueren Erkenntnissen leben. Sie müssen außerdem erhebliche Anfeindungen befürchten; sie müssen eine - unzulässige - Durchleuchtung ihres Privatlebens durch Medien befürchten. Davor sind sie zu schützen. Ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht verleiht Ihnen das Recht auf Privatsphäre. Sie sind  eigentlich - vereinfacht gesprochen - nicht Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses. Das ist ein hohes Schutzgut.

Dem gegenüber steht die Meinungs- und Pressefreiheit. Es muss möglich sein, über Unglücke wie das der Germanwings-Maschine zu berichten und dabei spielt derjenige, der mutmaßlich für die Katastrophe verantwortlich ist, natürlich eine entscheidende Rolle. In Rede steht hier ja nicht mehr, dass der Co-Pilot eines der Opfer ist, sondern Täter im Fall von 150 getöteten Menschen in einem der größten Flugzeugunglücke Europas. Hier kann man durchaus vertreten, dass das Informationsinteresse eben auch am Namen und den Lebensumständen des Piloten so groß ist bzw. wird, dass auch der Name genannt werden darf. Die Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass der Name des Betroffenen nicht tabu sein muss, wenn der Verdachtsgrad hoch genug ist und es um eine die Öffentlichkeit besonders berührende Angelegenheit geht. Beides dürfte hier vorliegen.  Man darf nicht vergessen: Die Staatsanwaltschaft in Frankreich bestätigt den wesentlichen Hergang nach Auswertung des Stimmenrekorders. Es geht also um mehr als bloße Spekulation. Letztlich aber muss man fragen: Welcher Mehrwert an Information ergibt sich durch die Namensnennung wirklich? Ist es wirklich zwingend ihn zu nennen?

Fazit: Rechtlich ist der Fall offen. Eine ganz andere Frage ist, ob man zum Schutz der Familie nicht gut daran würde, den Namen nicht vollständig auszuschreiben. Das ist aber eine medienethische Frage, keine rechtliche. Und nur zur Klarstellung: Paparazzi-"Abschüsse" von Angehörigen dürften in jedem Fall rechtswidrig sein. 

Nachtrag - lesenswert auch: http://medienblog.blog.nzz.ch/2015/03/26/der-co-pilot-der-taeter/

Dominik Höch
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

 

Autor: 
Dominik Höch