05.08.2014

LG Köln: Pflicht zum Lüften der Anonymität in Bewertungsportalen kein Tabu

Das Landgericht Köln hat ein Ärzte-Bewertungsportal erstinstanzlich zur Löschung einer konkreten Bewertung verurteilt. Der Betreiber des Portals hatte nicht hinreichend belegt, dass der klagende Arzt tatsächlich die bewertende Person behandelt hatte (Az. 28 O 516/13, Urteil v. 09.07.2014). Das Gericht stellte klar: Das kann auch bedeuten, dass die Anonymität des Bewerters gegenüber dem bewerteten Arzt gelüftet wird. Soweit ersichtlich handelt es sich um die erste Entscheidung in einer Reihe von Urteilen zu Bewertungsportalen, die derart weitgehende Darlegungspflichten an das Bewertungsportal stellt, auch wenn dies bedeutet, die Identität des Nutzers offenzulegen. Die Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist, hat die Kanzlei Höch Kadelbach für einen ihrer Mandanten erstritten. Die Volltextentscheidung wird kurzfristig online gestellt.

In der konkreten Bewertung hatte sich der Nutzer im Wesentlichen auf eine äußerst schlechte Notenvergabe an den Arzt beschränkt und in drei von fünf Kategorien mit der Note "6" (ungenügend) bewertet. Für den klagenden Arzt, der in einer Gemeinschaftspraxis tätig ist, haben wir bestritten, dass die bewertende Person jemals von dem Kläger behandelt wurde. Dafür haben wir zahlreiche Anhaltspunkte geliefert. Das Landgericht Köln folgte der Argumentation, dass bei dieser Sachlage das beklagte Bewertungsportal "die Angaben des Bewerters näher offenlegen" müssen, "um auch dem Gericht eine nähere Überprüfung des Sachverhalts zu ermöglichen". Dem sei die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Nach Ansicht des Gerichts stellt sich dies als mangelhafte Erfüllung der Prüfungspflichten eines Host-Providers dar, weswegen das Portal unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen war. 

Das Landgericht hat einem uneingeschränkten Vorrang der Anonymitätsinteressen eine deutliche Absage erteilt. In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich:

"Zwar ist das öffentliche Interesse an Bewertungsportalen zu berücksichtigen, deren Funktionsfähigkeit die Anonymität der Bewertung erfordert. Denn die Meinungsfreiheit würde im Hinblick auf zu erwartende Nachteile eingeschränkt, müsste der Bewerter regelmäßig befürchten, seine Identität werde offen gelegt. Auch ist es durchaus möglich, dass der Bewerter bei näherer Darlegung der behaupteten Behandlung identifiziert wird. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls muss vorliegend jedoch das Anonymitätsinteresse hinter den Interessen des Klägers zurücktreten. Denn anderenfalls bestünde die Gefahr, dass sich der Kläger dauerhaft den negativen Auswirkungen der nachteiligen Bewertung aussetzen müsste, obschon die Möglichkeit besteht, dass der Bewerter von diesem nicht behandelt wurde. Aufgrund des öffentlichen Informationsinteresses an solchen Bewertungen ist zu befürchten, dass der Kläger dauerhaft einen Rückgang seiner Patientenzahlen zu verzeichnen hat."

Nach unserer Auffassung ist die Entscheidung im Interesse des Persönlichkeitsrechtsschutzes zu begrüßen. Kein Portal kann ein Interesse an Ärzte-Bewertungen haben, bei denen es keine Behandlung durch den bewerteten Arzt gegeben hat. Besteht über den Umstand der Behandlung Streit, muss das Portal eben konkret darlegen, woraus sich diese ergibt. Gerade Ärzte in Gemeinschaftspraxen können auf Basis dieses Urteils deutlich mehr Informationen vom Bewertungsportal zu der angeblichen Behandlung einfordern. Weigert sich das Portal, Details zu nennen, stehen Unterlassungsansprüche gegen die Bewertung im Raum. Das bedeutet auch: Anonymität in Bewertungsportalen ist kein Selbszweck; in der Abwägung können Persönlichkeitsrechte überwiegen.

RA und FA für Urheber- und Medienrecht Dominik Höch

Autor: 
Dominik Höch